INTERVIEW mit CHARLES KUNOW

Eine außergewöhnliche Reise – Teil 1
Die Wüste. Ich hatte schon seit Jahren von Menschen gehört, die in die Wüste fahren und danach ganz begeistert davon erzählen. Von ihren ganz speziellen Erfahrungen. Ihre Begeisterung brachte mich immer wieder zum Staunen. Für mich nicht wirklich greifbar, was sie da so bewegt, was sie ja fast schon euphorisch berichten lässt. Noch erstaunter war ich, festzustellen, dass sie in den meisten Fällen wieder hin wollten.
Unweigerlich weckte dies meine Neugierde und ich wollte mehr darüber wissen, begreifen, warum diese Reaktion. Wenn ich selbst darüber nachdachte, ergab das „nur“ ein Gefühl von Leere. Ist es womöglich das, was sie dort suchten – die Leere? Welchen Sinn würde das ergeben? Es gab da auch etwas, das mir irgendwie Angst zu machen schien – aber was war das? Und würde ich wirklich das auch herausfinden wollen? Indem ich sogar selbst mich auf einer solchen Reise begab?

So kam ich eines eines Tages zu der Möglichkeit, Charles Kunow, der seit vielen Jahren Reisen und Retreats in die Wüste organisiert, direkt vor seinem Aufbruch zu einer Tour, Fragen zu stellen. Ich war gespannt auf seine Antworten – würde mir das weiter helfen für mich herauszufinden, was die Menschen dort „suchen“ und welche Veränderungen dadurch in ihrem Leben passieren. Konnte er etwas Licht ins Dunkel bringen?

So machte ich mich selbst auf eine Reise in das schöne Jonathan, einem ganz magischen Ort am Chiemsee – ein Seminarhotel. Dort wollten wir uns treffen. Im Jonathan erwartete mich eine friedvolle und familiäre Atmosphäre. Es ist ein Leichtes sich hier ganz unbefangen zu fühlen und durch die Ruhe, die in mir entstand, auch alle Fragen zu stellen, die mich beschäftigten.

Mir gegenüber steht ein Mann, dem anzusehen ist, dass er weiss, wovon er redet. Sein direkter Blick, seine offene und zugleich sehr bewusste Art lösen in mir schnell den Impuls aus, da kannst Du vertrauen, mit dem würdest Du in die Wüste fahren. Dich auf einer solchen Reise begeben…

FRAGE
Wann bist Du, Charles, das erste Mal in die Wüste gereist?

ANTWORT
Es wird so 1993 oder 1994 gewesen sein…in Douz, Tunesien.
Ich dachte mir, eigentlich wäre es ja ganz schön hier Ballonfahrten anzubieten. Das ist etwas, das wir bereits in Deutschland in unser Angebot (im Jonathan) hatten. Kurz darauf lernte ich auf der Fähre einen Franzosen kennen, der solche Ballonfahrten über die Wüste anbot – und wir kamen ins Gespräch. Fünf Monate später waren wir mit drei Ballons unten. Wir haben zwei mal mit denen kooperiert, stellten jedoch schnell fest, unseres geht mehr in die Tiefe. Die Menschen werden von der Wüste sehr berührt. Der andere Anbieter hat mehr oberflächliches Vergnügen und Halli Galli entstehen lassen, da ist es schwierig in die Tiefe zu gehen.
Anschließend haben wir die erste Reise mit 20 Personen gemacht. Zuerst waren einige skeptisch, wie das gehen soll mit so vielen Leuten. Um dann mit Erstaunen festzustellen, wie man nach einigen Tagen wie eine große Familie zusammen ist. Ein Stamm, der miteinander unterwegs und füreinander da ist.

FRAGE
Hast Du je darüber nachgedacht solche Reisen in Unternehmen anzubieten im Bereich Teambildung oder Ähnliches?

ANTWORT
Ja, das haben wir schon gemacht. Wir haben zum Beispiel schon mit Microsoft etwas in diesem Bereich gemacht. Dann gab es da noch einen Milliardärsclub aus Bonn. Ich merkte damals schnell, für das was ich in der Unternehmensberatung anbieten mag, braucht es noch ein paar Jahre. Jetzt ist die Zeit dafür reif. Es wird schliesslich alles immer schneller in unserem Alltag, es muss immer billig und billiger sein. Es braucht so etwas, wie das Bewusstsein für neue Werte, ein Umdenken ist erwünscht. Einmal ist jemand aus der Führungsposition eines sehr bekannten Unternehmens mit seinem Sohn mitgefahren.
Der wollte dann die Presse dabei haben, um die Aktien der Firma, die zu der damaligen Zeit in den Keller waren, in die Höhe zu treiben. Das habe ich dann abgelehnt, obwohl das ein sehr lukratives Geschäft war.

FRAGE
Dir geht es also um Authentizität, um Ehrlichkeit, um echtes Sein?

ANTWORT
Definitiv. Betrug lockt mich nicht, für sowas gebe ich mich nicht her. Jetzt merke ich, dass es ganz aktuell ist, Teams auf eine neue Ebene zu holen. Und darum Unternehmen mit individuell konzipierten Angeboten direkt anzusprechen. Wir hatten, wie gesagt, bereits Manager dabei. Und die anderen Teilnehmer wissen dann nicht, wer das ist. Wir beschäftigen uns nicht mit der Vergangeheit eines Menschen. Ich habe auch bei meinen Seminaren gerne gemischte Gruppen, von der gestressten Hausfrau bis zur Führungskraft. Das ist nicht ausschlaggebend, denn das Model, wodurch die in Stress kommen, ist immer das Selbe, das gilt es zu erkennen.

FRAGE
Wodurch passiert das in der Wüste? Was ist das Besondere, durch das es dort viel eher stattfinden kann?

ANTWORT
Zum einen ist es tatsächlich durch die Wüste selbst, durch die Stille, durch die fehlende Ablenkung, du kannst dich nicht mit anderen Sachen beschäftigen, das geht gar nicht. Und wenn manch einer dann doch versucht sich abzulenken, indem er Beispielsweise von seinem neuen Auto redet, ihn behutsam dahin führen, in den Moment. Zu fragen auch „bist du jetzt deswegen hier?“ Wir machen Mitteilungsrunden, in denen jeder erzählen kann, was in ihm gerade geschieht. Am Anfang fällt das manch einem schwer, aber mit der Zeit lernen die Menschen anders, aufmerksamer zuzuhören.

FRAGE
Das bedeutet, dass Du und Dein Team da seid und die verschiedensten Prozessen, die entstehen, bewusst begleitet?

ANTWORT
Ja, intensiv! Je nachdem, was es braucht. Manchmal haben wir ganz reife Gruppen da und es kommen auch Beiträge aus der Gruppe.

FRAGE
Einige Menschen, die mit Dir diese Reise gemacht haben, erzählen von sehr prägenden Momenten in denen sie mit ihrer Angst konfrontiert wurden. Ist das ein Phänomen, das häufig vorkommt?

ANTWORT
Na ja, in so einem Raum, wo die Ablenkung fehlt, kommen gedecklte Ängste hoch. Viele sind voll beschäftigt und rennen vor dem Leben davon, um sich nicht zu spüren, um ihren Ängsten nicht zu begegnen. Um ihren Schmerzen nicht zu fühlen. Wir dürfen dann in solchen Momenten, wo das Raum bekommt, feststellen, dass unsere Schmerzen uns nicht umbrigen. Mein Weg ist Gewahr sein, da kommen für mich therapeutische Aspekte und Managementmethoden zusammen. Wenn so ein Zustand entsteht, schlage ich den Leuten vor ein Blatt Papier zu nehmen und das aufzuschreiben. Wenn Angst so etwas ist wie eine dunkle Wolke, was kann schlimmsten Falls passieren? Und plötzlich wird die Angst anfassbar. Und den Menschen wird bewusst, sie können etwas tun, um in der Entspannung und in der Sicherheit zu sein.

FRAGE
Das heisst, es ist ein geschüzter Raum da, wo ist aufgefangen werde?

ANTWORT
Gehalten werden, würde ich sagen. Ich kann auch mit meiner Angst spielen, ihr langsam begegnen, zum Beispiel indem ich teste, kann ich draußen unter freiem Himmel schlafen im Schalfsack? Und wenn das „zu viel“ ist, dann eben oben auf dem Track probieren, sich langsam herantasten. Es geht eben nicht darum sich über die Ängte hindurch zu peitschen, sondern sie wahrzunehmen und über das Gewahr sein sie langsam auflösen zu lassen. Ängste wachsen eben da, wo wir sie ignorieren. Die Frage ist, was ist unterdrückt. Und das will sich Raum verschaffen. Das tibetanische Totenbuch beschreibt es so schön – alles, wovor ich im Leben davon laufe, begegnet mir nach dem Tod wieder. Und dann kann ich wieder davon laufen. Oder jetzt die Chance nützen um festzustellen, alles nur Fantasien.  Dann verlieren unsere Ängste ihre Macht und wir sind da durchgegangen.

FRAGE
Viele Teilnehmer erzählen, dass sie nach dem Retreat eine ganz starke Veränderung in ihrem Leben spüren. Also es ist etwas, das einen nachhaltig prägt. Ich habe Sätze gehört wie „wenn du zurück kommst, bist du ein anderer Mensch„. Kannst Du das bestätigen?

ANTWORT
Wir wandeln uns im Leben durch Begegnung und aus der Wüste kommt keiner so raus, wie er reingegangen ist.

FRAGE
Also ein deutlicher Unterschied zu anderen Events?

ANTWORT
Also ich sage jetzt im Alltag gelingt uns vielleicht 30%, in der Wüste sind es durchaus dann 70% von dem was ich Gewahr bin, was ich erkannt habe. Die Menschen werden sensibilisiert. Dann darf man auch schauen, wie man das Gelernte wieder in den
Alltag integriert. Wenn uns wieder die Schnelligkeit, der gewohnte Lärm begegnen, wie bleiben wir dann bei uns. Wie bleibt man in der Gelassenheit. Gelassenheit ist auch etwas, das meist nicht verstanden wird. Es heisst etwas so lassen, wie es ist. Ein ja zum Moment, was nichts anderes ist als im hier und jetzt zu sein. Das Problem ist ja nicht, das was ist, sondern das, was wir daraus machen. Und wenn wir lernen Gewahr zu werden und zu beobachten – großartig!

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