Leseprobe – Sein in Liebe

Die heilende Kraft des Eros

Zunächst möchte ich Eros und Sexualität unterscheiden. Gelebte Sexualität ist nicht dasselbe wie gelebter Eros. Aus Scheu vor Berührung springen wir in triebhafte Sexualität und versäumen das Berührtwerden, das Berührtsein. Gleichzeitig empfinden wir eine Sehnsucht und eine Scheu, eine Unsicherheit.

Zärtlichkeit, Nähe, Intimität, das Halten einer Hand, das Berühren eines Rückens, das miteinander Eintauchen in den Raum des Seins – all das ist Eros. Uns beglückt fühlen und nicht erklären können warum – denn an sich ist nichts geschehen, das ist Eros. „Dasein“ geschieht im Moment des Seins. Wenn wir einfach in Stille nebeneinander sitzen und lauschen, ist das bereits sehr intim, wenn wir präsent sind und uns in den Moment des Seins hineingeben. Diese Art von zusammen sein und sich wirklich begegnen ist in unserer Kultur weitgehend verloren gegangen.

Für Sein in Frieden und Liebe braucht es das Wieder-Entdecken von Nähe, Verbindung, Zärtlichkeit. Wo beginnt Eros, wo Sexualität? Wann ist es heilend, wann schmerzhaft?

Alles was Nähe und Verbindung hat, ist auch Eros. Eros ist Raum aus Liebe, dieses Verweilen im Berührt-Sein. Da öffnet sich etwas, in uns, zwischen uns. Es kommt eine weitere Dimension dazu. Die Liebe sagt: „Wo zwei oder mehr in meinem Namen zusammen sind, da bin ich mitten unter ihnen“. Oft halten wir das Berührt sein und was sich da öffnet nicht aus, da kommt unsere Scheu, unser Nichtwissen. Der Verstand sagt: „Das ist langweilig, sei aktiv!“ Was er wirklich meint ist: „Das macht mir Angst, gleich verliere ich die Kontrolle. Bitte mache das Gewohnte, das Bekannte. Das gibt mir Sicherheit, auch wenn man sich dabei nicht wirklich wohl fühlt!“

Wie ist es, sich im Langsam-Sein, im Moment-Sein, im Berührt-Sein zu entspannen? Es gibt nichts zu tun, nichts zu erreichen. Alles ist da. Oft halten wir diese Scheu, dieses Offen-Sein nicht aus, trauen uns nicht, uns wirklich zu zeigen. Aus dieser Unsicherheit fliehen wir regelrecht (der Regel gerecht) in zielorientierten Sex. Daraus wird nicht Fülle und Liebe, sondern Schmerz, Leid und Krieg geboren.

Die Sexualität ist wohl die stärkste Wirkkraft im Menschsein. Was Menschen alles dafür tun und geben, Sex zu haben! Es entsteht wohl mehr Schmerz als Glück dabei … bisher. Wie wäre es, das zu wandeln und glückliche, liebende Wesen zu sein, die freud- und genussvollen, heilenden Sex, heilendes Miteinander leben, ihn miteinander teilen?

Es ist einfacher als wir denken. Wenn wir bereit sind, das, was wir bisher für richtig und normal hielten, was wir bisher lebten, zu hinterfragen, zu untersuchen und Neues zu erforschen.

Was zieht uns zu einander?

Es gibt hohe und niedere Beweggründe. Es gibt die tiefe Sehnsucht nach dem Zuhause sein, nach Ankommen, nach in Liebe sein, die Sehnsucht nach der Einheit, die wir sind. Dann gibt es ein tiefes Missverständnis. Was ist, wenn „ich liebe dich“ eine der meistgebrauchten Lügen wäre? Zum einen sagen damit viele „ich brauche dich“ und sind in ständiger Angst, der andere könnte sie verlassen, was er dann wohl auch muss, denn sonst müsste er immer gegen diese Angst angehen und keine Entspannung wäre in Sicht.

Der Satz „ich liebe dich“ – ist er gesund und richtig? Versteckt sich hinter dem Satz nicht ein Ego, das meint, vom Anderen etwas brauchen zu dürfen? Und wenn dem so ist – wohin führt es? Zu Liebe oder zu Drama? Wenn eine Mutter den Kopf ihres fünfjährigen Kindes zu sich dreht, ihm einen Kuss aufzwingt und dann antwortheischend fragt: „Gell, du liebst deine Mutti?“, dann lacht mein Herz nicht. Es ist ein Übergriff, denn die Mutter will von ihrem Kind etwas, das sie selbst zu geben hätte. Die als Beispiel zitierte Mutter können wir hier auch durch Vater, Tante oder Onkel ersetzen. Generell gilt, wenn wir für uns keine Wertschätzung, keine Anerkennung, keine Liebe haben, dann wollen wir sie von dem Anderen erhalten und machen uns somit zu Bettlern. Das kann nicht zu Fülle fuhren. Menschen sind meist getrieben, ziehen los, wollen viel Geld verdienen und versuchen so, Wertschätzung, Anerkennung und Liebe zu erhalten. Das kann nicht gelingen. Es gibt viele Misserfolgs- Modelle, was Fülle und Liebe betrifft. In Liebe Sein – das kann ich gut spüren. Doch bei „ich liebe dich!“ – was meinen wir da wirklich?

Mir scheint, es gibt nur ein Erfolgsmodell zum Sein in Liebe, und das in verschiedenen Varianten.

1) Selbsterkenntnis, sich selbst erkennen, sich selbst als das Wunder, das ich bin, erkennen, anerkennen, wertschätzen.

2) Mich selbst mögen und lieben. So wie ich jetzt bin.

3) Als das göttliche Wesen, das ich bin, ein göttliches Leben leben und Liebe teilen, mich als liebendes Wesen schenken.

Wie kann es anders sein, als dass wir dann auch Liebe ernten, und damit auch immer mehr Liebe zum Teilen da ist? Das ist dann Fülle. Ganz schön einfach, oder? Einerseits ja und andererseits eine lebenslängliche Übung.

Share Button